Wohnungslosenhilfe

Wohnungslosigkeit ist ein drängendes Problem in unserer Gesellschaft. Auch in Ulm. Es gibt viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen oder kleiner Rente. Zusätzlich nimmt die Zahl der Menschen, die arm sind, zu. So sind es heute weniger „Durchreisende“, die im Übernachtungsheim Unterkunft finden, als vielmehr Menschen aus Ulm, die ihre Wohnung verloren haben.

Eine Wohnung bietet nicht nur ein Dach überm Kopf und Schutz vor Kälte und Regen. Sie ist vielmehr die nach eigenen Vorstellungen gestaltete Privatsphäre. Dort können sich Menschen zurückziehen, sich erholen und sich wohlfühlen. Ohne eigene vier Wände ist dies egal, ob sie einer Arbeit nachgehen oder nicht.

Freundlicher Empfang: An der Pforte des Übernachtungsheims ist oft auch Zeit für ein Gespräch mit den Mitarbeitenden.

Welche Hilfe bietet das DRK?

Der DRK-Kreisverband Ulm betreibt in der Frauenstraße 123 im Auftrag der Stadt Ulm ein Übernachtungsheim für Wohnungs- und Obdachlose.
Wohnungslose werden im Sommer von 7 bis 23 Uhr und im Winter von 7 bis 22 Uhr aufgenommen. In besonderen Fällen, zum Beispiel bei winterlichen Temperaturen mit Minusgraden, werden die Zeiten angepasst.

Im Übernachtungsheim finden Wohnungslose

  • einen Schlafplatz
  • Duschmöglichkeiten
  • warmes Essen
  • Gemeinschaft
  • Schutz vor Diskriminierung und Gewalt
  • ein offenes Ohr
  • persönliche Unterstützung und Vermittlung in Angebote der Ulmer Wohnungslosenhilfe (z.B. zur Beratungsstelle der Caritas).

Die Menschen verdienen Respekt und Höflichkeit

Joseph Röhrich absolviert ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Übernachtungsheim. Im Interview berichtet der 19-Jährige über seine Beweggründe und Erfahrungen.

Lesen Sie hier das ganze Interview mit Joseph Röhrich

FSJ'ler Joseph Röhrich macht seine Arbeit Spaß.

DRK: Herr Röhrich, Sie haben sich bewusst für die Stelle im Übernachtungsheim entschieden. Was hat Sie dazu bewogen?
Joseph Röhrich: Ich bin offen und kann gut mit den Menschen, die hierherkommen, umgehen.

Haben Sie das vorher schon gewusst? Hatten Sie vorher schon Kontakt zu Wohnungslosen?
Ja, es gab ein Erlebnis, das mich wohl geprägt hat. Als Erstklässler der Friedrichsauschule kam ich morgens immer an einer Bank vorbei, auf der ein Obdachloser schlief. Vor dem hatte ich Angst. Da nahm meine Mutter eines Tages  eine Tasse Kaffee mit und wir gingen zu ihm. Da habe ich gemerkt: Das ist ein normaler Mensch, den´s halt mal erwischt hat. Seither kennt unsere ganze Familie den Mann, und wir grüßen uns noch heute, wenn wir uns treffen.

Sie begegnen hier sehr vielen unterschiedlichen Menschen und Schicksalen. Was hat sie am meisten überrascht?
Dass es hier so viele Junge unter 25 gibt. Das ist schon krass. Viele haben keine Ausbildung und sind drogenabhängig. Ich hätte nicht gedacht, dass das so häufig vorkommt. Und es ist schwer, da wieder rauszukommen.

(Immer wieder klopfen während des Gesprächs Gäste an, die ein Anliegen haben. Nicht alle will Joseph Röhrich auf später vertrösten. So öffnet er einem älteren Mann  die Tür. Er kommt gerade aus dem Krankenhaus und will wieder ein Bett - sein Bett, wie er sagt - im Übernachtungsheim beziehen.)

Auch mit solchen Fällen hätte ich nicht gerechnet. Der Mann ist eigentlich pflegebedürftig, sieht das aber partout nicht ein. Selbst wenn er eine Wohnung hätte, könnte er dort nicht allein leben.  Es sind auch nicht wenige, die wegen ihrer kleinen Rente gezwungen sind, hier  unterzukommen.

Wie sieht  der Arbeitstag des FSJlers im Ü-Heim aus?
Das hängt von der Schicht ab. Ich arbeite entweder morgens von 7 bis 16 oder spät von 15.30 bis 23 Uhr. Das Haus ist rund um die Uhr besetzt, die Nachtschicht darf ich als FSJler jedoch nicht übernehmen.

Was machen Sie während Ihrer Schichten?
Ich sitze an der Pforte und bin da, wenn jemand ins Haus hereinwill und auch, wenn jemand ein Anliegen hat. Ich schaue, dass immer Kaffee und Brot da ist, gebe bei Bedarf Wäsche aus und fülle die Waschmaschine. Wenn es lauter wird im Aufenthaltsraum, kann es schon sein, dass ich dort auch Streit schlichten muss. Besonders gegen Abend kann das passieren. Denn viele kommen alkoholisiert ins Haus. Die brisanteste Zeit ist die vor dem Essen um 18 Uhr, denn dann ist es hier  rappelvoll. Es kommen ja auch Leute von außerhalb, da ist schon ein gewisses Streitpotenzial vorhanden.

Können Sie sich als sehr junger Mann bei Streitereien durchsetzen?
Ja. Wichtig ist, klar und offen zu sein. Meine Devise scheint zu stimmen: Wer anderen mit Respekt begegnet, kann sich auch Respekt verschaffen. Ich achte auf Höflichkeit, aber auch auf Distanz.  Entscheidend ist zudem, dass wir Mitarbeitenden uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. 
 
Was haben Sie im FSJ bisher für sich persönlich gelernt?
Ich sehe die Menschen, die ins Ü-Heim kommen, in einem anderen Licht als früher. Ich weiß, dass jedes Schicksal einen Hintergrund hat und alle, die hierher kommen, etwas mehr oder weniger Gravierendes erlebt haben. Wenn ihr Verhalten von der Norm abweicht, dann hat das Gründe.

Außerdem weiß ich jetzt zu schätzen, welch gute „Startaufstellung“ ich selber hatte. Ich weiß, wieviel es bedeutet, ein eigenes Zuhause und seine Ruhe zu haben. Ich freue mich, dass ich mein Essen selber kaufen und kochen kann und dass ich eine Perspektive habe. Auch wenn ich noch nicht genau weiß, ob und was ich studieren möchte.

Gab es Situationen, in denen Sie es bereut haben, dass Sie das  FSJ im Übernachtungsheim machen wollten?
Nein, keine einzige Sekunde. Es war genau der richtige Schritt. Ich bin hier komplett zufrieden, auch weil das Arbeitsklima sehr gut ist und ich mit den Kolleginnen bestens auskomme.

Angebote

In das Übernachtungsheim sind verschiedene Angebote integriert: 

  • Blick in den Aufenthaltsraum im Übernachtungsheim
    Foto: DRK

    Aufenthaltsraum

    Der Aufenthaltsraum im Übernachtungsheim ist das „Wohnzimmer“ des Hauses. Er ist ein Ort der Begegnung und Kommunikation für Wohnungslose, aber auch für Menschen, die unter Einsamkeit und Armut leiden. Er ist an sieben Tagen in der Woche offen für alle, die das Angebot nutzen wollen.

    Menschen, die auf der Straße leben, können sich hier aufwärmen, ausruhen, duschen und umziehen. Die Kleidung kann gewaschen werden. Es gibt ein kostenloses Frühstück sowie den ganzen Tag über belegte Brote. Im Aufenthaltsraum spielen Gäste Karten, sehen fern, unterhalten sich oder lesen die Zeitung.

    Einmal im Monat kommt eine Fußpflegerin – dank der Unterstützung durch die Aktion 100.000 der Südwestpresse. Zwei- bis dreimal im Jahr organisiert eine engagierte Mitarbeiterin einen Ausflug. Dieser ist ebenfalls nur durch einen Zuschuss der Aktion 100.000 möglich.

  • An fünf Tagen in der Woche bereiten Ehrenamtliche ein Menü im Übernachtungsheim zu
    Foto: DRK

    Ulmer Tafel

    Montags bis freitags gibt es pünktlich um 18.00 Uhr ein schmackhaftes, mehrgängiges Menü im Aufenthaltsraum des Übernachtungsheims. Ehrenamtliche bereiten es mit viel Liebe zu. Die Zutaten stammen zum größten Teil aus dem Tafelladen des DRK Ulm. Notwendige Zukäufe – wie zum Beispiel Fleisch – werden über zweckgebundene Spenden finanziert. JETZT SPENDEN

    Ins Leben gerufen wurde die Ulmer Tafel im Mai 1995 – auf Initiative von Edith Bode, der „Mutter der Ulmer Tafel“. Seither kommen täglich rund 30 Wohnungslose und Menschen aus dem Übernachtungsheim, aber auch Kranke und Einsame aus der Umgebung zum Essen. Viele genießen dabei auch, dass sie Gesellschaft haben und nicht allein am Tisch sitzen müssen.

    Sehen Sie hier das Video über Edith Bode.

  • Kranke brauchen Ruhe und finden sie im Genesungszimmer
    Foto: DRK

    Genesungszimmer

    Kranke Wohnungslose finden Ruhe im Genesungszimmer. Hier können sie zum Beispiel eine Erkältung auskurieren. Menschen mit schweren Erkrankungen werden von einem ambulanten Pflegedienst versorgt, bis ein Platz im Pflegeheim oder stationären Hospiz frei wird.
    Regelmäßig beraten Medizinstudenten der Uni Ulm die Obdach- und Wohnungslosen in Gesundheitsfragen. Informationen dazu finden Sie unter www.medinetz-ulm(dot)de.

  • In der Frauenwohnung ist der Platz für persönliche Dinge
    Foto: DRK

    Frauenwohnung

    In einem vom „Männerbereich“ abgetrennten Bereich liegt das geräumige Zimmer, in dem bis zu vier Frauen unterkommen können. Im geschützten Raum fühlen sich die Bewohnerinnen sicher. Sie können ihn mit ihrem persönlichen Eigentum individuell und so wohnlich wie möglich gestalten. Vor allem Frauen mit Gewalterfahrungen können sich in den sicheren Bereich zurückziehen und so etwas aufatmen. Gemeinsam mit einer Sozialpädagogin können sie hier neue Perspektiven entwickeln.

  • Aufnahmehaus für Frauen

    Wohnungslose Frauen oder Frauen, die akut von Wohnungslosigkeit bedroht sind, finden ein neues Zuhause im Aufnahmehaus für Frauen. Dieses Haus außerhalb des Übernachtungsheims verfügt über vier Einzelzimmer, drei Bäder, eine Küche mit Essplatz und einen Gemeinschaftsraum. Begleitet von einer DRK-Mitarbeiterin lernen die Frauen, ihren Alltag zu gestalten und wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Frei von der Sorge, das Dach überm Kopf zu verlieren, und ohne Angst vor körperlicher oder seelischer Gewalt erarbeiten sie mit der Mitarbeiterin eine Perspektive für sich. Im Aufnahmehaus können sie sich je nach Bedarf und Wunsch zurückziehen oder Gemeinschaft finden.

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